«Simone Kappeler teilt ihre inneren Erfahrungen in Fotografien»

(Lire ci-dessous la version en français de l’article).

Geheimnisvoll, leise und etwas surreal. Simone Kappelers Fotografien befinden sich jenseits von klaren Genres. Häufig vermischt die Künstlerin aus der Ostschweiz Portät, Landschaft, Stillleben und Interieur Fotografie. Aktuell sind ihre Werke – wobei viele darunter noch nie ausgestellt wurden – bis zum 3. Juli in der Galerie Bildhalle in Zürich zu sehen.

Simone Kappeler, «Falling Out Of Time»
Bildhalle (ZH)

Bis 3. Juli 2021

Öffnungszeiten
Mittwoch – Freitag
12 – 18h30
Samstag
11 – 16h

«Das wichtigste ist, dass man etwas zurückbehalten kann aus dem Fluss der Zeit», schreibt sie selbst über ihre Arbeit. Und fügt hinzu: «Sobald ich den Auslöser drücke, trifft mich oft gleichzeitig das Bewusstsein, dass dieser Moment jetzt vorbei ist. Was ich beobachtet habe, tritt zurück vor meinen Augen, wird ferner, dunkler. Taucht ab und zerfliesst. Ich bin froh, dass ich das Foto nicht sofort sehen kann. Das wäre mir zuviel. Es genügt mir, das Bild in mir zu tragen und zu wissen, dass es auf dem Film seinen Abdruck hinterlassen hat als ein latentes Bild, das ich später, beim Entwickeln, ans Licht holen kann.»

Dieses Verhältnis zur Zeit drückt der Fotograf in überraschenden Bildkompositionen und unrealistischen Farbgebungen aus. Die unter dem Titel «Falling Out Of Time», seiner aktuellen Ausstellung in der Bildhalle in Zürich, präsentierten Bilder erinnern dadurch zum Teil an impressionistische Malereien. Gleichzeitig wirkt jedes ihrer Bilder wie ein eigener Moment des Innehaltens. Oder wie die Kunsthistorikerin Corinne Schatz es beschreibt: «Stünde mir nur ein einziges Wort zur Verfügung, um Simone Kappelers Werk zu charakterisieren, so würde ich „Stille“ wählen.» 

Die Künstlerin aus Frauenfeld im Thurgau fotografiert entweder in ihrem alltäglichen Umfeld oder auf Reisen. Ihr Interesse für die Fotografie entdeckt sie schon in der Kindheit: Bereits im Alter von elf Jahren beginnt Simone Kappeler zu fotografieren. Später studiert sie Germanistik und Kunstgeschichte, gefolgt von einer Ausbildung an er Fachklasse für Fotografie der Schule für Gestaltung in Zürich (heute Zürcher Hochschule der Künste). Nach der Ausbildung beherrscht sie die Technik und kennt sich mit teuren Apparaten aus. Doch irgendwie scheint sie ihre Stimme in der Fotografie nicht so recht zu finden.

1981 unternimmt sie zwei Jahre nach ihrer Ausbildung mit ihrer Freundin einen Roadtrip durch Amerika. Mit dabei ist ihre professionelle Hasselblad aber auch einige billige Einwegkameras. Gleich zu Beginn der Reise lernt Kappeler die unkomplizierte Art der Kleinbild- und Polaroidkameras zu schätzen. Sie sammelt Stimmungen und schnappschussartige Momente ein und verlässt sich dabei ganz auf ihr Gefühl. Im Verlauf ihrer Reise kauft sie sich immer mehr billige Kameras und benutzt diese abwechslungsweise mit der Hasselblad. Die beiden jungen Frauen reisen mit einem weissen Ford Gran Torino Station Wagonqueer durch die Staaten: Von New York nach Los Angeles. Sie schlafen in ihrem Auto und baden alle paar Tage in einem Motel. Erst im Nachhinein wird klar, dass diese Reise ein wichtiger Schritt zu ihrer eigenen Unbeschwertheit, ihrer Experimentierfreudigkeit und schliesslich ihrer künstlerischen Handschrift war. Denn auch heute, 40 Jahre später, sind die Bilder in der aktuellen Ausstellung anzutreffen. Die Fotografien ihres Roadtrips durch Amerika ordnen sich ohne Probleme in ihre aktuellen Arbeiten ein.

2011 beschäftigt sich Simone Kappeler intensiv mit Polaroid-Techniken. Die neuen Filme sind im Bezug auf Farben oft fehlerhaft und sind nicht mehr so qualitativ wie das alte Material, das bis zu Anfang des Jahrtausends produziert wurde. Die Rollen bleiben stecken, sie altern schnell oder die Farbschicht wird brüchig. Durch diese Verfremdung entspricht fast kein Bild der Ausstellung dem menschlichen Sehvermögen. Die Fotografin benutzt diese Mangelerscheinungen bewusst und bei ihren Polaroidbildern spielen die chemischen Prozesse eine wichtige Rolle, denn sie will dem chemischen Prozess sein Eigenleben lassen. Dabei entstehen eigenwillige, träumerische und abstrakte Bilder mit Lichtblasen, Farbstreifen oder unterschiedlichen Schärfenbereichen. «Alle diese Fehlleistungen kompromittieren einerseits die Schönheit der Bilder, gestalten sie aber auch auf ihre Weise mit und lassen im besten Fall neue unvorhersehbare Bildwelten entstehen, die zu neuen Seherlebnissen verführen», erklärt Simone Kappeler. 

Traumwelten aus Infrarot und Cyanotypien

Bei der Infrarot-Fotografie entstehen Bilder mit der Hilfe von Infrarot-Strahlung, also Lichtwellenlängen, die länger sind die des sichtbaren Lichtes. Die Bilder entstehen mit rund einer halben Sekunde Belichtungszeit. Sie stellen eine Welt jenseits unseres Sehvermögens dar. «Mit ihren Infrarot-Arbeiten bewegt sich Kappeler gleichsam zurück an die Quelle der Wahrnehmung. Als wären es innere Bilder», heisst es in der offiziellen Kommunikation der Galerie Bildhalle. Das geheimnisvolle Titelbild der Ausstellung ist ebenfalls mit dieser Technik aufgenommen worden. 

Auch die Cyanotypien, an denen Kappeler seit 2016 arbeitet, sind farblich verfremdet. Cyantopie ist eine der ältesten Techniken der Fotografie, die Sir A. Herschel entwickelte und Anna Atkins seit 1840 zur Vervielfältigung ihrer Herbarien anwendete. Simone Kappelers Cyanotypien entstehen in Blumenwiesen und Brachen, wobei die Pflanzen werden nicht ausgerissen, sondern vor Ort abgelichtet werden. Die Belichtungszeit dauert bis zu einer Viertelstunde, abhängig vom Sonnenstand und der Jahreszeit. Das Resultat ist eine Überraschung, denn oft zerstört der Wind die Bilder oder im Glücksfall macht er sie lebendig. Erst mit der Entwicklung im Labor wird das Motiv hervortreten, dort, wo die Sonne einwirkte, entsteht ein tiefes Preussischblau, auch Cyanfärbung genannt. 

Ein Besuch in Simone Kappelers Ausstellung wird zu einem poetischen Erlebnis, zu einer visuellen Erfahrung mit viel Raum zur Interpretation. Schnell verliert sich der Blick in den traumhaften Bildwelten laden den Betrachter auf eine Reise ein, während der er die Innen- und Aussenwelt der Künstlerin gleichzeitig zu sehen bekommt. Die Ausstellung in der Bildhalle ist noch bis am dritten Juli zu besuchen.

«Simone Kappeler partage en photographies ses expériences intérieures»

Par Corina Rainer, journaliste
9 juin 2021

Mystérieuses, calmes et quelque peu surréalistes. Les photographies de Simone Kappeler sont au-delà des genres clairs. L’artiste, originaire de Suisse orientale, mélange souvent portrait, paysage, nature morte ou photographie d’intérieur. Ses œuvres −dont beaucoup n’ont jamais été exposées auparavant− sont actuellement exposées, jusqu’au 3 juillet, à la Galerie Bildhalle de Zurich.

Simone Kappeler, «Falling Out Of Time»
Bildhalle (ZH)

Jusqu’au 3 juillet 2021

Heures d’ouverture
Du mercredi au vendredi
12h – 18h30
Samedi
11h – 16 h

«La chose la plus importante est de pouvoir retenir quelque chose du flux du temps», écrit Simone Kappeler à propos de son travail. Elle ajoute: «Dès que j’appuie sur le déclencheur, je suis souvent frappée simultanément par la conscience que ce moment est maintenant terminé. Ce que j’ai observé recule devant mes yeux, devient plus distant, plus sombre. Plonge et se dissout. Je suis heureuse de ne pas pouvoir voir la photo immédiatement. Ce serait trop pour moi. Il me suffit de porter l’image en moi et de savoir qu’elle a laissé son empreinte sur la pellicule comme une image latente que je peux faire apparaître plus tard, lorsque je la développe.»

Ce rapport au temps, la photographe l’exprime dans des compositions surprenantes et des jeux de couleurs irréalistes. Les images présentées sous le titre «Falling Out Of Time», son exposition actuelle à la Bildhalle de Zurich, rappellent donc en partie les peintures impressionnistes. En même temps, chacune de ses photos semble être un moment de suspension. Ou comme le décrit l’historienne de l’art Corinne Schatz, «Si je ne pouvais choisir qu’un seul mot pour caractériser l’œuvre de Simone Kappeler, ce serait silence».

L’artiste de Frauenfeld, en Thurgovie, prend des photos dans son environnement quotidien ou en voyage. Elle a découvert son intérêt pour la photographie dès l’enfance, à l’âge de onze ans. Elle a ensuite étudié la langue et la littérature allemandes ainsi que l’histoire de l’art, avant de suivre une formation dans la classe de photographie de la Schule für Gestaltung de Zurich (aujourd’hui Zürcher Hochschule der Künste). Après sa formation, elle maîtrisait la technique et savait se servir d’un équipement coûteux. Mais elle n’arrive pas à trouver sa voie dans la photographie…

En 1981, deux ans après sa formation, elle entreprend un road trip à travers l’Amérique avec sa petite amie. Elle est accompagnée de son Hasselblad professionnel mais aussi de quelques appareils jetables bon marché. Dès le début du voyage, Kappeler apprend à apprécier la nature simple des appareils photo 35 mm et Polaroid. Elle capture des humeurs et des instantanés, en se fiant entièrement à ses sentiments. Au fur et à mesure de son voyage, elle achète de plus en plus d’appareils photo bon marché et les utilise en alternance avec le Hasselblad. Les deux jeunes femmes traversent les États-Unis de New York à Los Angeles dans une Ford Gran Torino Station Wagonqueer blanche. Elles dorment dans leur voiture et se baignent dans un motel tous les quelques jours. Ce n’est que rétrospectivement qu’apparaît clairement le fait que ce voyage a constitué une étape importante vers sa propre légèreté, sa volonté d’expérimenter et, finalement, sa signature artistique. Car aujourd’hui encore, 40 ans plus tard, ces photographies de son voyage à travers l’Amérique s’intègrent facilement dans son travail actuel.

En 2011, Simone Kappeler a commencé à s’intéresser de près aux techniques du Polaroïd. Les nouveaux films sont souvent défectueux en termes de couleurs et ne sont pas aussi qualitatifs que l’ancien matériel qui a été produit jusqu’au début du millénaire. Les rouleaux se coincent, ils vieillissent rapidement ou la couche de couleur devient cassante. En raison de cette aliénation, presque aucune image de l’exposition ne correspond à la vision humaine. La photographe utilise ces déficiences consciemment et dans ses photos Polaroid, les procédés chimiques jouent un rôle important, car elle veut leur laisser leurs processus avoir leur propre vie. Il en résulte des images idiosyncratiques, rêveuses et abstraites avec des bulles de lumière, des stries de couleur ou différentes zones de netteté. «D’un côté, toutes ces maladresses compromettent la beauté des images, mais elles contribuent aussi à les façonner à leur manière et, dans le meilleur des cas, à donner naissance à de nouveaux mondes visuels imprévisibles qui nous séduisent pour de nouvelles expériences visuelles», explique Simone Kappeler.

Mondes de rêve à partir d’infrarouges et de cyanotypes

Dans la photographie infrarouge, les images sont créées à l’aide du rayonnement infrarouge, c’est-à-dire des longueurs d’onde de la lumière qui sont plus grandes que celles de la lumière visible. Les images sont créées avec un temps d’exposition d’environ une demi-seconde. Ils dépeignent un monde au-delà de notre capacité à voir. «Avec ses œuvres infrarouges, Kappeler remonte pour ainsi dire à la source de la perception. Comme s’il s’agissait d’images intérieures», peut-on lire dans la communication officielle de la Galerie Bildhalle. L’image mystérieuse qui donne son titre à l’exposition a également été réalisée selon cette technique.

Les cyanotypes sur lesquels Kappeler travaille depuis 2016 sont également aliénés en couleur. La cyantopie est l’une des plus anciennes techniques de photographie, mise au point par Sir A. Herschel et utilisée par Anna Atkins pour reproduire ses herbiers de 1840. Les cyanotypes de Simone Kappeler sont créés dans des prairies fleuries et des jachères, les plantes n’étant pas déracinées mais photographiées sur place. Le temps d’exposition dure jusqu’à un quart d’heure, en fonction de la position du soleil et de la saison. Le résultat est une surprise, car souvent le vent détruit les photos ou, dans un cas chanceux, les rend vivantes. Ce n’est qu’avec le développement en laboratoire que le motif apparaît, et là où le soleil a eu un effet, un bleu de Prusse profond, également appelé coloration cyan, est créé.

La visite de l’exposition de Simone Kappeler est une expérience poétique et visuelle qui laisse une large place à l’interprétation. Le regard se perd rapidement dans les univers picturaux oniriques, invitant le spectateur à un voyage au cours duquel il peut voir simultanément le monde intérieur et extérieur de l’artiste. 

Photo 1 – Centre Pompidou, Paris, 8.4.2006, Courtesy of Bildhalle © Simone Kappeler

Photo 2 – Geste zum Fels / Geste sur le rocher, 26.7.1983, Courtesy of Bildhalle © Simone Kappeler

Photo 3 – Joël, Immenberg, 23.5.1998, Courtesy of Bildhalle © Simone Kappeler

Photo 4 – Los Angeles, 7.18.1981, Courtesy of Bildhalle © Simone Kappeler

Photo 5 – Nussbaumersee, 24.9.2007, Courtesy of Bildhalle © Simone Kappeler

Photo 6 – Schaftrieb zur Medelser Hütte II / Brouillard devant le Medelser Hütte III, 21.7.2005, Courtesy of Bildhalle © Simone Kappeler

Photo 7 – Schwimmer / Nageur, Quintillan, 17.7.2006, Courtesy of Bildhalle © Simone Kappeler

Photo 8 – Skabiose und Hafergras / Scabieuses et herbe d’avoine, Bages, 26.6.2018, Cyanotypie, Courtesy of Bildhalle © Simone Kappeler

Photo 9 – Weisser Pfau I / Paon blanc I, 5.4.2018, Courtesy of Bildhalle © Simone Kappeler