«Lisa Meyerlist, Laut, wild und wunderbar»

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Sie war eine der ersten Fotoreporterinnen der Schweiz: Lisa Meyerlist. Mit ihrer Leica bereiste sie monatelang Afrika, Asien und Südamerika, zu einer Zeit, als sich das noch niemand getraute. Eine Hommage an die Frau, die nach dem Leben in all seinen Facetten suchte.

In der aktuellen Ausstellung des Historischen Museums Luzern befindet sich unter den Fotografen auch eine einzige Frau. Es ist Lisa Meyerlist, eine der ersten Fotojournalistinnen der Schweiz. Wer war diese Frau, die sich das Fotografieren selbst beibrachte? Die es immer fertigbrachte alle Reportagen an Illustrierten und Zeitungen zu verkaufen? Die sich sogar von ihrem Mann scheiden liess, um ungehindert fremde Länder und Kontinente zu entdecken? Sie lebte so frei und emanzipiert, dass sie bis heute eine Inspiration für Generationen von Frauen ist. Und das, obwohl sie vor über einem Jahrhundert geboren wurde.

Im Jahre 1914 kommt Liselotte List in Lauterbach bei Hessen zur Welt. Als Tochter eines Arztes wächst sie überaus wohlbehütet auf. In einer Villa mit «ungefähr 30 Zimmern», einem wunderbaren Garten, zwei Dienstmädchen und einem Chauffeur. Die ganze Familie ist musikalisch, doch die kleine Liselotte gilt als Wunderkind. Von klein auf spielt sie mit ihrem Vater Klavierkonzerte, sie hat das absolute Musikgehör und spielt alles aus dem Kopf. Mit 18 Jahren will sie deshalb Klavier studieren. Doch schnell findet Lisa —wie ihr alle sagen— die Etüden der Lehrerin zu langweilig. Lieber begibt sie sich an die Kunstschule in Stuttgart, wo sie näht, zeichnet, töpfert. Für sie gibt es nichts Schlimmeres als Langeweile.

Während ihrem Studium lernt sie Rolf Meyer kennen. Die beiden heiraten Mitte dreissig und ziehen in die Schweiz nach Luzern. Die beiden haben zwei Kinder, Thomas und Barbara. Doch das Geld ist knapp: «Rolf war Künstler und kein Geschäftsmann», sagt sie später in einem Interview über ihn. Als er während des Kriegs als Oberleutnant an der Grenze steht, muss sie selbst Geld verdienen. So beginnt sie zu fotografieren —mit dem Hochzeitsgeschenk ihrer Eltern, einer Leica. Als Autodidaktin witzelt sie bis ins hohe Alter, dass sie nicht bei allen Knöpfen wisse, wofür die gut seien. «Ich bin Fotoreporterin und keine Fotografin.»

In einem Sommer begleitet sie eine Freundin nach Italien auf die Insel Ischia. Hier tummeln sich alle mit Rang und Namen: Maria Becker, Federico Fellini, W.H. Auden. Sie fotografiert die berühmten Leute nicht nur, sie freundet sich auch mit ihnen an und gehört dazu. Fellini bietet ihr sogar an in seinem Film «La dolce vita» mitzuspielen. Sie fragt nur: «Ich? Wer soll ich denn spielen?» Er antwortet: «Du spielst dich selbst, du bist jemand!» Doch sie lehnt ab, der Arbeit wegen. «Das ist das Einzige, was ich in meinem Leben je bereut habe», sagt sie.

Am Anfang ihrer Karriere fotografiert sie für die Luzerner Musikfestwochen.Als Lisa Meyerlist —so lautet ihr Künstlername— soll sie 1948 Herbert Karajan fotografieren. Als der Dirigent ihre Nervosität bemerkt, erklärt sie ihm, dass sie doch noch gar nicht richtig fotografieren könne. Er zeigt sich verständnisvoll: «Wir sind 10 Tage hier. Wenns heute nicht klappt, versuchen wir es noch einmal.» Doch sie schafft es beim ersten Mal. «Ich Dubel», lacht sie danach über sich selbst. «Ich hätte nochmals hingehen können.» Ihre Fotografien sind technisch nie die Besten, aber bemerkenswert, weil Lisa Meyerlist stets mit den Menschen vor ihrer Kamera kommuniziert.

Die Ehe mit Rolf geht in den späten 50er Jahren in die Brüche. Als Scheidungsgrund nennt sie einen anderen Mann. Und das Angebot für eine Reportage in der Türkei. Dass sie den Job annimmt, kann Rolf nicht verstehen, aber sie lässt sich nichts vorschreiben: «Ich fand, dass es jetzt einmal an mir war. Ich habe lange genug geschaut, dass er malen konnte. Immer diese Männer, meinen wir schuften und schuften. Und so ging ich.» Kreuz und queer mit dem Jeep durch die Türkei. Autofahren kann sie nicht richtig: Sie kennt den Vorwärts- und den Rückwärtsgang. Viel mehr nicht. 

Bei der Scheidung verzichtet Lisa Meyerlist auf alles. Existenzängste kennt sie nicht: «Ich wusste, wenn mir das Geld ausgehen würde, kann ich immer nach Essen fragen. Oder stehlen, wenn man Hunger hat, ist das kein Diebstahl.» Die schönste Zeit in ihrem Leben sei ohnehin die gewesen, in der sie fast kein Geld hatte. Und auch bei ihrer Arbeit geht es ihr mehr darum zu reisen, als zu fotografieren. Deshalb bleibt sie oft wochen und monatelang, viel länger als eigentlich nötig: «Ich wäre gestorben als Angestellte. Wenn ich etwas tue, muss ich mit dem Herzen dabei sein.»

Sie lebt frei, ist von den Männern eine begehrte Frau und zählt zu den frühen Hippies. Insgesamt 82 Länder bereist sie bis an ihr Lebensende. Der nomadische Lebensstil zeigt sich auch in ihrer Art zu sprechen: Schweizerdeutsch, gespickt mit Italienisch, Englisch und Spanisch. Nur die eigene Muttersprache benutzt sie nicht mehr. Seit dem Zweiten Weltkrieg ist ihr Deutschland verhasst, auf keinen Fall will sie Deutsche genannt werden. Sie kommt bis an ihr Lebensende nicht über die Taten von Hitler hinweg. Vielleicht weil sie zu viele zerstörte Häuser in Ungarn gesehen hat, vielleicht weil sie zu viele hungernde Kinder fotografiert hat.

Lisa Meyerlist hätte ein gesichertes Leben in Wohlstand führen können. Doch stattdessen wurde sie eine unabhängige Geschäftsfrau, eine lebenshungrige Abenteurerin, eine Bohémienne. «Nicht der Ruhm, nicht das Geld, sondern die gute Kunst, die ist mein Leben», sie wollte sich niemals materiellen Reichtum anhäufen. Die Fotografin lebte das Leben in seiner ganzen Fülle – mit allen Hochs und Tiefs. «You must always make the best out of a situation», war ihr Motto. Denn das Leben sei immer wieder schrecklich und dann wieder wunderschön: «Wenn man so intensiv wie ich gelebt hat, dann kann man gut sterben. Ich hatte Erfolg. Gute Männer. Wunderbare Kinder und Grosskinder. Was will man mehr?». Im Dezember 2008 starb Lisa Meyerlist im Alter von 94 Jahren in Luzern. Ihr fotografischer Nachlass ist im Staatsarchiv Luzern zu finden.

«Lisa Meyerlist, forte, sauvage et merveilleuse»

Par Corina Rainer, journaliste
11 août 2020

Née en 1914 et décédée en 2008, Lisa Meyerlist a été l’une des premières photojournalistes en Suisse. Elle a voyagé avec son Leica pendant des mois à travers l’Afrique, l’Asie et l’Amérique du Sud, à une époque où personne n’osait le faire. Hommage à la femme qui a cherché la vie sous toutes ses facettes.

Dans l’exposition «Luzern. Fotografiert: 1840 bis 1975», actuellement visible au Musée historique de Lucerne, il n’y a qu’une seule femme parmi tous les photographes présentés. Il s’agit de Lisa Meyerlist, l’une des premières photojournalistes en Suisse. Qui était cette femme qui a appris à prendre des photos en autodidacte? Qui a toujours réussi à vendre tous ses reportages aux magazines et aux journaux? Qui a même divorcé de son mari afin de découvrir sans retenue des pays et des continents étrangers? Elle a vécu si librement et de façon si émancipée qu’elle est encore aujourd’hui une source d’inspiration pour des générations de femmes. Alors même qu’elle est née il y a plus d’un siècle!

Liselotte List voit en effet le jour en Allemagne en 1914 à Lauterbach, dans le Land de la Hesse. Fille de médecin, elle grandit en étant extrêmement bien entourée. Dans une villa d’«environ 30 chambres», un magnifique jardin, deux femmes de ménage et un chauffeur. Toute la famille est musicienne, mais la petite Liselotte est considérée comme une enfant prodige. Dès sa tendre enfance, elle joue des concerts de piano avec son père, a une oreille absolue et connaît tous les morceaux par cœur. C’est pourquoi, à l’âge de 18 ans, elle veut étudier le piano. Mais Lisa —ainsi qu’on l’appelle— trouve vite que les cours de son professeur sont trop ennuyeux. Elle préfère aller à l’école d’art de Stuttgart, où elle coud, dessine et fait de la poterie. Pour elle, il n’y a rien de pire que l’ennui. 

Pendant ses études, elle fait la connaissance de Rolf Meyer. Ils se marient tous les deux au milieu de la trentaine et s’installent à Lucerne en Suisse. Ils ont deux enfants, Thomas et Barbara. Cependant, l’argent est rare: «Rolf était un artiste et non un homme d’affaires», dira-t-elle à son sujet plus tard dans une interview. Quand il est premier lieutenant à la frontière pendant la guerre, elle doit gagner de l’argent elle-même. Elle commence donc à prendre des photos —avec le cadeau de mariage de ses parents: un Leica. En tant qu’autodidacte, elle plaisante jusqu’à un âge avancé sur le fait qu’elle ne sait pas à quoi servent tous les boutons. «Je suis une photojournaliste, pas une photographe.»

Un été elle accompagne une amie sur l’île d’Ischia en Italie. Ici, toute la classe supérieure se retrouve en vacances: Maria Becker, Federico Fellini, W.H. Auden… Non seulement elle prend des photos de ces personnes célèbres, mais elle devient aussi amie avec elles et est l’une d’entre elles. Fellini lui propose même de jouer dans son film «La dolce vita». Elle demande simplement: «Moi? Qui vais-je jouer?» Il répond: «Tu joues ton propre rôle, tu es quelqu’un!» Mais elle refuse, donnant la préférence à son travail. «C’est la seule chose que j’ai jamais regrettée dans ma vie», avouera-t-elle.

Au début de sa carrière, elle prend des photos pour le Festival de musique de Lucerne. Sous le nom de Lisa Meyerlist —son nom d’artiste— elle doit photographier Herbert Karajan en 1948. Lorsque le chef d’orchestre remarque sa nervosité, elle lui explique qu’elle n’est pas encore capable de photographier correctement. Il fait preuve de compréhension: «Nous sommes ici pour 10 jours. Si cela ne fonctionne pas aujourd’hui, nous essaierons à nouveau». Mais elle réussit du premier coup. «Je suis une imbécile, rit-elle ensuite d’elle-même. J’aurais pu y retourner.» Ses photographies ne sont jamais les meilleures techniquement, mais elles sont remarquables parce que Lisa Meyerlist sait comment communiquer avec les gens devant son appareil.

Son mariage avec Rolf se termine à la fin des années 1950. Elle mentionne un autre homme comme raison de son divorce. Et la proposition d’un reportage en Turquie. Rolf ne comprend pas pourquoi elle accepte le mandat, mais elle ne se laisse pas dire quoi faire: «Je pensais que c’était à moi de décider pour une fois. J’ai passé assez de temps à le regarder pour qu’il puisse peindre. C’était un de ces hommes qui estiment que nous devons travailler pour eux. Et donc je suis partie.» Et ce sera à travers la Turquie en jeep, même si elle n’est pas vraiment apte à conduire une voiture: elle sait faire marche avant et arrière. Pas plus!

Lors de son divorce elle renonce à tout. Elle ne ressent aucune crainte existentielle: «Je savais que si je manquais d’argent, je pouvais toujours demander de la nourriture. Ou voler quand on a faim. Ce n’est pas du vol». De toute façon, le meilleur moment de sa vie a été quand elle n’avait presque pas d’argent. Et son travail, lui aussi, est plus axé sur le voyage que sur la photographie. C’est pourquoi elle reste souvent des semaines et des mois, beaucoup plus longtemps que nécessaire: «Je serais morte en tant qu’employée. Quand je fais quelque chose, je dois y mettre tout mon cœur».

Elle vit librement, est une femme désirée par les hommes et est l’une des premières hippies. Elle voyage dans 82 pays en tout, jusqu’à la fin de sa vie. Le mode de vie nomade se reflète également dans sa façon de parler: suisse allemand, parsemé d’italien, d’anglais et d’espagnol. Il n’y a que sa propre langue maternelle qu’elle n’utilise plus. Elle déteste l’Allemagne depuis la Seconde Guerre mondiale et ne veut en aucun cas être considérée comme Allemande. Elle ne se remettra pas des actes d’Hitler pour le reste de sa vie. Peut-être parce qu’elle a vu trop de maisons détruites en Hongrie, peut-être parce qu’elle a photographié trop d’enfants affamés.

Lisa Meyerlist aurait pu mener une vie sécurisée dans la prospérité. Mais au lieu de cela, elle est devenue une femme d’affaires indépendante, une aventurière affamée de vie, une bohémienne. «Pas la gloire, pas d’argent, mais le bon art, telle est ma vie.» Elle n’a ainsi jamais voulu accumuler de richesses matérielles. La photographe a vécu la vie dans toute sa plénitude —avec ses hauts et ses bas. «Il faut toujours tirer le meilleur parti d’une situation», était sa devise. Parce que la vie est toujours terrible et puis à nouveau belle: «Si vous avez vécu aussi intensément que moi, alors vous pouvez bien mourir. J’ai réussi. Des hommes bons. Des enfants et des petits-enfants merveilleux. Que demander de plus?». En décembre 2008, Lisa Meyerlist est morte à Lucerne à l’âge de 94 ans. Son fonds photographique se trouve dans les archives de l’État de Lucerne.

Ein wahrer Fotoschatz

«Luzern. Fotografiert: 1840 bis 1975» bietet erstmals eine Gesamtschau über die Fotografie-Geschichte des Kantons. Die ausgestellten Fotografien zeigen die gesellschaftlichen, kulturellen und baulichen Veränderungen in Stadt und Landschaft. Die Ausstellung thematisiert auch die vielfältigen Gebrauchsweisen des Mediums Fotografie in den Bereichen Stadt- und Landschaftsfotografie, Porträt, Presse, Industrie, Tourismus und Architektur. Ein wahrer Fotoschatz, zusammengetragen aus 20 Luzerner Archiven.

«Luzern. Fotografiert: 1840 bis 1975»

Historisches Museum, Luzern
Bis 27. September 2020

Öffnungszeiten
Dienstag bis Sonntag 10-17 Uhr

Quellen

Interview mit Gudrun Sachse, NZZ, 2006

«Lisa — Dieses Leben, Gopfriedstutz!», ein Film von Liliana Piantini Piffaretti und MarianneQuarti, 2005

«Der Rede Wert — Frauenleben im letzten Jahrhundert, 15 Porträts aus dem Kanton Luzern» Limmat Verlag, 2002

Un trésor photographique

«Luzern. Fotografiert: 1840 bis 1975» offre le premier aperçu complet de l’histoire de la photographie dans le canton. Les photographies exposées montrent les changements sociaux, culturels et architecturaux de la ville et du paysage. L’exposition explore également les nombreuses façons différentes dont le médium de la photographie a été utilisé dans les domaines de la photographie urbaine et de paysage, du portrait, de la presse, de l’industrie, du tourisme et de l’architecture. Un véritable trésor photographique, compilé à partir de 20 archives lucernoises.

«Luzern. Fotografiert: 1840 bis 1975»

Musée historique, Lucerne
Jusqu’au 27 septembre 2020

Horaires d’ouverture:
Du mardi au dimanche de 10h à 17 h

Sources

Entretien avec Gudrun Sachse, NZZ, 2006

«Lisa — Dieses Leben, Gopfriedstutz!», Film de Liliana Piantini Piffaretti et MarianneQuarti, 2005

«Der Rede Wert — Frauenleben im letzten Jahrhundert, 15 Porträts aus dem Kanton Luzern» Limmat Verlag, 2002


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